Er steht in Achterformation, sein Blick ist auf die Kirchentür gerichtet. Gleich wird er mit seinen sieben Kollegen in die Barockkirche in Niendorf im Gleichschritt eintreten. Es ist seine zweite Beisetzung an diesem Tag. Wenn der 73-jährige Sargträger jemanden zu Grabe trägt, sieht er aus wie aus einer anderen Zeit. Er trägt ein Anscharkostüm, mit Kniebundhose, weißem Kragen, Dreispitzhut, Degen und einer silbernen Schnalle auf den schwarzen Schuhen. In diesen Tagen kommt noch der Mund- und Nasenschutz dazu.
„Links, rechts, links: meine Herren“ – der Zugführer gibt das Kommando. Mit dem Hut in der linken Hand betreten die acht Herren die Kirche auf dem Alten Friedhof in Niendorf und wollen der Verstorbenen (Mitte Achtzig ist sie geworden) ein würdevolles letztes Geleit geben. Der Sarg wird geschultert und während die Kirchenglocken läuten in das Bestatterfahrzeug geschoben.
Auf dem neuen Friedhof in Niendorf wird der Sarg auf den Bahrwagen gesetzt. „Links, rechts, links“ – die Achterkolonne trägt die Verstorbene vom Bahrwagen zum offenen Grab. Vorne die Großen – hinten die Kleinen. Die Sargträger sollen ein einheitliches Bild ergeben. Der Sarg wird herabgelassen. Nach dem erneuten Kommando nehmen sie den Hut ab, verbeugen sich und ziehen im Gleichschritt von dannen.
1886 wurde die Arbeit der berittenen Diener in Hamburg abgeschafft, doch die Tradition der Sargträger blieb bis heute bestehen. Die Firma Albert Meyer bietet diese Dienste den Bestattern an. Jede Beisetzung ist eine einstudierte Choreographie. Die Bühne sind Friedhöfe, Kirchen und Kapellen. An manchen Tagen hat der Träger nur einen einzigen Einsatz, manchmal auch 4 hintereinander. Die ganz großen Auftritte finden im Michel oder in St. Petri, den Hauptkirchen von Hamburg statt.
Der Tod, ein wiederkehrender Begleiter im Leben. Der Weg zum Grab die letzte große Inszenierung und Birgit und Nicole Ohlendorf agieren als Regisseurinnen, die das Stück über die Bühne bringen.